Der Podcast der Österreichischen Energieagentur
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00:06] Da jetzt im reinen Energiepreis derzeit von 0,07 € bis 0,30 € pro kWh Arbeitspreis, ist alles dabei. Je nachdem, ob man Bestandskunden ist oder Neukunde oder vielleicht auch bei welchen Anbieter man ist. Bei Strom also die Differenz zwischen einzelnen Kundengruppen ist einfach riesig und und das ist sicher was, was es so in dieser Form noch nie beobachtet haben am Endkundenmarkt seit Beginn der Liberalisierung.
00:39] Hallo und herzlich willkommen bei Petajoule, dem Podcast der Österreichischen Energieagentur. Mein Name ist Christoph Dolna-Gruber und ich habe heute zwei Kollegen bei mir. Karina Knaus, unsere Grande Dame der Energiemärkte, und Christian Furtwängler, ein neuer Kollege, der auch Karinas Sprache spricht, nämlich jene der Strom, Gas und sonstigen Energiemärkte. Markt: ein Wort, das man ja fast nicht mehr in den Mund nehmen darf, wenn man über Energie spricht. Laut sind sie geworden, die Stimmen, die Eingriffe fordern, den Markt teils abschaffen wollen. Und eigentlich stellt sich die Frage, ob Russland den europäischen Markt nicht ohnehin schon abgeschafft hat. Zumindest bei Gas. Preisdeckel, Tank-Rabatte, Steuersenkungen, Strompreis Rabatte, Spritpreis-Bremsen, Merit-Order - weg damit! Windfall profit tax, CO2 Steuer verschieben, keine Eingriffe verstaatlichen. Sehr viel ist da dabei im öffentlichen Diskurs. Und darüber wollen auch wir heute sprechen, entschleunigt, einordnend und möglichst emotionslos. Dazu heiße ich, wie gesagt Christian und Karina herzlich willkommen. Hallo ihr zwei.
01:57] Hallo!
01:58] Hallo.
01:59] Christian, darf ich dich bitten, dich kurz vorzustellen? Du bist neu bei uns zum Ersten Mal bei Petajoule dabei.
02:08] Ja, und ich freue mich total, dass ich heute das erste Mal dabei sein darf. Denn ich habe tatsächlich, auch bevor ich bei der Österreichischen Energieagentur angefangen habe, schon die eine oder andere Folge des Podcasts mit großem Interesse verfolgt. Mein Name ist Christian Furtwängler. Ich bin seit Frühjahr bei der Österreichischen Energieagentur und zuvor war ich wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer deutschen Universität und ja, promovierte auch im Fach BWL und habe mich in diesen Tätigkeiten viel mit Marktdesign, Themen und anderen Fragen, die auch heute auf der Tagesordnung stehen, auseinandergesetzt.
02:46] Wunderbar. Herzlich willkommen, Christian. Karina, darf ich dich bitten? Erzähl und seinen Zuhörerinnen und -hörern bitte etwas über dich.
02:56] Ja. Hallo. Mein Name ist Karina Knaus. Ich leite das Center Volkswirtschaft, Konsument:innen und Preise bei der Österreichischen Energieagentur. Davor war ich beim Regulator der E-Control, auch dort für Marktbeobachtung und Energiemärkte zuständig und davor an der Universität oder Universitäten. Und ich habe mir gerade gedacht, ich komme. Irgendwie glaube ich jetzt auch einen vollen Kreis, weil vor circa 20 Jahren habe ich meine Dissertation zum Thema Privatisierung und Liberalisierung bei Energie und Telecom geschrieben und ich habe ein bisschen das Gefühl, wir gehen jetzt wieder ein bisschen in die andere Richtung. Ja, und das hat mich jetzt wieder ein bisschen daran erinnert, an diese Arbeiten von früher.
03:43] Vor 20 Jahren, das waren dann so die Beginne der Liberalisierung. Oder?
03:47] Genau, genau da habe ich sehr viele Daten analysiert. Was hat das bedeutet? Dass Unternehmen hier privatisiert wurden, dass Märkte liberalisiert wurden für Preise, für das Angebot? Und so weiter so! Also ich meine, das war natürlich nicht vor 20 Jahren, weil das wird bedeuten, dass ich vor 20 Jahren dissertiert habe, aber irgendwann. In einem unbestimmten Zeitraum.
04:05] Ok, kannst du dich erinnern, wie lang das damals gedauert hat, diesen Markt zu liberalisieren?
04:11] Naja, eigentlich muss man sagen, schon mehrere Jahre, nicht. Das ist ja immer, in den meisten Bereichen gab es ja auch eine EU-Rechtsgrundlage. Sei es bei der Eisenbahn, im Energiebereich und dann natürlich die nationale Umsetzung. Aber auch die nationale Umsetzung war ja schrittweise. Also Strom begann, dass so 1996, 97, 99, die Anfänge dann mal grössere Kunden, beispielsweise Lieferanten wechseln die ganze Umstrukturierung. Und dann 2001, war eigentlich erst die volle Liberali sierung und bei Gas war es dann 2002, das war schon in beiden Fällen natürlich mehrjährige Prozesse, um auch entsprechend Strukturen aufzubauen, um natürlich auch das Markt sozusagen, muss man irgendwo auch lernen. Auch die Börsen sind nicht über Nacht gewachsen. Also das waren schon mehrjährige Prozesse.
05:07] Das ist schonmal eine wichtige Erkenntnis. Jetzt sind wir schon ziemlich im Gespräch drinnen. Das war ein mehrjähriger Prozess damals. Jetzt geht es oftmals um Schnelligkeit. Und diese zeitliche Perspektive ist auch bei Interventionen rund um die Stabilisierung von Energiepreisen sehr relevant. Bevor wir jetzt aber darüber sprechen und darum geht es eigentlich heute Energiepreiskrise 2022 - Deckel drauf und gut iss, oder? Ist die Frage, mit der wir uns heute beschäftigen, stell ich dir, Karina, die Frage Energiepreise: Was heißt das überhaupt? Gibt es da..... Welche Unterscheidungen sind da relevant?
05:47] Ja, also da muss man sagen, im Zuge der Liberalisierung wurden die die Strom und Gasmärkte entlang der Wertschöpfungskette sozusagen aufgesplittet. Das heißt, wir haben auf der einen Seite den Großhandel, das ist das, wo Lieferanten, Versorger, Produzenten, Erzeuger zusammenkommen, also die, die Strom oder Gas produzieren, erzeugen und die deshalb brauchen, ihre Endkunden zu bedienen und dort in den Großhandelsmärkten handeln. Und auf der anderen Seite gibt es Endkundenmärkte, wo dann eben die Lieferanten oder die Versorger tatsächlich das Gas und Strom an ihre Kunden, an ihre Kundinnen abgeben. Das können natürlich üblicherweise, denkt man deren Haushaltskunden, aber das sind natürlich genauso Gewerbe-, Industriekunden, die dann sozusagen am Endkundenmarkt sind, also das sind eigentlich zwei unterschiedliche Marktsegmente mit auch jeweils eigenen Unternehmen, eigenen auch Preisbildung-Mechanismen und eigentlich auch anderen Preisniveaus, weil ja beispielsweise auch die Endkunden-Rechnung drei Komponenten hat, einen Energieanteil, Netz und auch die Steuern und Abgaben.
06:59] Ich glaube, das ist schon ein wichtiger Punkt. Es sind zwei unterschiedliche Segmente. Es gibt einige Unternehmen, die in beiden Segmenten oder auch in allen drei Segmenten tätig sind, wenn man dann das Netz noch dazunimmt. Aber es gibt viele Unternehmen, die zum Beispiel nur Energie an Endkunden liefern, die keine eigene Erzeugung haben, sondern auf die Großhandelsmärkte und den Einkauf dort angewiesen sind.
07:23] Genau. Also ich glaube, das ist halt, ich will jetzt nicht auch vorwegnehmen - das müssen wir auch noch diskutieren - aber das ist halt auch ein wesentlicher Punkt in Österreich, dass unser System anders, sage ich mal oder oder eben auf diese Art liberalisiert wurde, als beispielsweise in Frankreich, wo es noch immer die EDF gibt und de facto ein Unternehmen, das alles macht, also in diesem Markt zu intervenieren oder was zu tun ist einfach ganz, ganz anders als in Österreich, wo wir über 100 Lieferanten haben, wo eben, es gibt Lieferanten mit Erzeugung ohne. Es gibt regionale. Es gibt Österreichweite. Das ist einfach von der Voraussetzung her eine ganz, ganz andere als beispielsweise in Frankreich.
08:05] Okay. Unterscheidung Großhandel und Endkundenmarkt. Christian, wenn wir uns diesen Großhandel ein bisschen genauer anschauen: Wir fokussieren uns heute auf Strom und Gas. Gehen wir zuerst mal zum Beispiel in den Gas-Großhandelmarkt. Wie funktioniert das dort?
08:24] Also es gibt ein paar Eigenschaften, die der Strom und Gashandel gemeinsam haben. Deswegen stelle ich die mal vorne vorne an. Das ist einmal, das es Börse basiert zum einen gehandelt wird, das heißt auf großen Energy Börsen, zum Beispiel der EEX in Leipzig, und es auch ein großes Segment gibt, das Außerbörslich gehandelt wird. Da spricht man dann von sogenannten over the counter OTC Geschäften, die meist bilateral zwischen Unternehmen stattfinden und die zwar in gewisser Art und Weise bekannt sind in ihren Umfängen, aber die, über die es keine direkte, ja direkte Berichterstattung an den Gesamtmarkt gibt. Das heißt, es gibt quasi eine solche Zweiteilung des Marktes.
09:17] Das heißt, die Vorgänge am Börse Markt kennen wir recht gut, weil es da Transparenzregeln gibt, weil es da publizierte Daten gibt, die man zum Teil auch kaufen muss, aber es gibt sie. Und im zweiten Teil, dem OTC over the Counter Geschäft, wo es um bilaterale Geschäftsbeziehungen geht, weiß man weniger.
09:36] Also es gibt auch Anbieter, die Preise auf die das OTC Marktes zur Verfügung stellen und es gibt die die Trading Hubs für verschiedene Netzgebiete, wo dann auch ein solcher Preis indiziert wird. Also ist es nicht so, dass das ganz im Dunkeln verläuft. Aber es stimmt also, dass über, dass man meistens redet, wenn man über die Gaspreise oder Strompreise redet, dass ist der Preis, der sich an diesen Börsen entwickelt.
10:05] Und um mal ganz kurz noch einzuhaken minor Sidestep natürlich, das eine ist die Transparenz, sozusagen, also was jeder von uns sieht und kaufen kann. Es gibt natürlich mit REMIT, mit der ganzen Handels Überwachung im Strom Gas Bereich.
10:21] REMIT ist eine Verordnung...?
10:22] Genau genau genau zur Markt Integrity, also zu Integrität der der Strom, Gas Handels Märkte, das heißt die Regulatoren, ACER und die anderen nationale Regulatoren, haben da sehr detaillierte Einblicke auch in diese OTC Märkte oder die anderen Handelsgeschäfte. Das heißt die Marktüberwachung, die ist sehr sehr engmaschig. Nur das sind dann wirklich keine Daten, die öffentlich sind.
10:48] Okay, ist klar. Wie kann man das Verhältnis einschätzen, wie viele Mengen über OTC gehandelt werden und wie viele über Börse? Wo geht mehr über, wo wechselt mehr, wo wechseln mehr kWh den Besitzer?
11:05] Also das grundlegende Verhältnis ist, das schon deutlich mehr im OTC Handel tatsächlich noch gehandelt wird. Wobei in den letzten Jahren immer die Meldungen kamen von steigenden Volumina an den Börsen. Das heißt, die Verhältnisse könnten sich etwas in diese Richtung verschoben haben. Die Zahl, die man findet, die aus den letzten Jahren stammt, ist, dass im Strom circa roundabout 75 % OTC sind und beim Gas etwas mehr. Also eher so Richtung 80 % und der Rest dann über die über die Börsen gehandelt wird.
11:42] Okay, wo ist denn der Zusammenhang? Also preislich kann man sich dann vorstellen, dass im OTC Markt zwischen den Unternehmen günstigere Preise verhandelt wurden als jetzt zum Beispiel jetzt auf der Börse zu sehen sind.
11:57] Also es gibt da verschiedene verschiedene Ansätze, warum man das eher nicht annehmen würde. Also das Wichtigste ist natürlich, dass das Markt den Märkten zugrunde liegende Prinzip der Arbitrage Freiheit, das heißt dadurch, dass eben transparente Preise an den Börsen sichtbar sind. Besteht allgemein kein Anreiz an den OTC Märkten deutlich von diesen Preisen abzuweichen, wenn das nicht der tatsächlichen Preis-Erwartung der einzelnen Marktakteure entspricht, in anderer Art und Weise.
12:32] Du meinst, weil die Verkäufer dann an der Börse mehr Geld verdienen könnten. Als wenn sie zum Beispiel, wenn sie ein Unternehmen direkt beliefern.
12:39] Ja, genau. Das ist der eine Grund. Und es gibt ja deutlich es gibt ja viele Markttransparenz Initiativen eben auf der auf der Börse Seite. Das heißt es ist davon auszugehen, dass die Preise nicht zu stark divergieren.
12:59] Bzw wissen wir auch bei den langfristig Verträgen, wenn jetzt Richtung Gas gehen, die sind ja direkt an die Börse Preise oft indexiert, eben weil es keinen Sinn macht irgendwelche anderen Preise festzulegen, die Preisgleit-Klauseln letztendlich referenzieren am Ende des Tages ja wieder auf die auf die Börsen Notierungen.
13:19] Früher war es üblich diese Langzeit Verträge an den Ölpreis zu binden. Das ist in den letzten Jahren sukzessive zurückgegangen und immer mehr wird dann auch auf so Börse, Futures, Monats, Quartals, Jahres Futures indexiert und die sind bekannterweise stark gestiegen. Karina, diese Langzeit Verträge, die zum Beispiel die OMV mit der Gazprom hat, das wäre dann OTC Handel oder.
13:51] Genauso das ist es OTC Handel, eben weil es nicht über die Börse geht. Und eben diese Langfrist-Verträge, das wissen wir aus den Gazprom Geschäftsberichte, also Geschäftsberichte, sind oft eine gute Quelle für Informationen. Tatsächlich. Und dort geht schon mal vor, dass auch überwiegend die Gazprom ihre europäischen Langfrist-Verträge an Börse Notierungen, insbesondere die Month ahead Futures knüpft, wobei sie sich teilweise sogar rühmen, dass sie die Marktpreise übertreffen...
14:27] Ja, das ist mir auch aufgefallen. 2020 war die Börsenpreise halt am Boden.
14:32] Ja, ich meine das könnte das sein? Gibt es sicherlich eine Klausel mit minimal keine Ahnung ist es ist natürlich die Preisgleit-Klausel ist halt ein Bestandteil. Auch von den Mengen gibt es Tack or Pay Mengen. Vielleicht fließen auch dann Strafzahlungen schon mit rein. Das ist natürlich im Detail. Die Vertragsgestaltung kennen wir natürlich nicht.
14:52] Okay, das ist jetzt Gas. Wenn wir in den Großhandel mit Strom blicken, dann gibt es da eine Sache, die zuletzt in der medialen Berichterstattung sehr oft vorkommt, dass die sogenannte Merit Order. Wer von euch mag uns kurz erklären, was das bedeutet?
15:14] Das kann ich gerne übernehmen. Also im Prinzip das erste, was man natürlich dabei noch im Kopf behalten sollte, ist, dass wenn man über die Merit Order spricht, dass man dafür über den kurzfristigen Handel spricht und nicht den langfristigen Handel.
15:28] Sprich das, was am nächsten Tag passiert, oder?
15:32] Ja, richtig, genau. Also, es gibt im Stromhandel, also neben dem kontinuierlichen Handel, der etwas später erst einsetzt, mehrere große Strompreis Auktionen, die täglich stattfinden und die Zeitintervalle des nächsten Tages abdecken. Also es gibt in Österreich sogar eine mehr mit der EXA, die noch 10:15 Uhr noch einmal stattfindet. Aber in vielen Ländern, ich glaube fast allen Ländern Europas, findet um 12:00 die große Day Ahead Auktion statt und es gibt dann noch Intraday Eröffnungs Auktionen, wo dann noch weitere Produkte zusätzlich handelbar werden. Die findet dann um 15:00 im Allgemeinen statt.
16:13] Und der Day ahead heißt, dass der Strompreis für die Lieferung von Strom am nächsten Tag gefunden wird.
16:22] Genau, und das in verschiedenen Produkten. Das heißt, nicht nur der gesamte Tag wird gehandelt, es kann verschiedene Block Produkte gehandelt werden. Es kann Base, der gesamte Tag, Peak zum Beispiel die Stunden zwischen acht und acht gehandelt werden. Es können einzelne Stunden gehandelt werden. Das ist sogar sehr üblich, wenn man über Spotpreise spricht, dass man sich eigentlich auf diese stündlichen oder Viertelstündchen Preise bezieht. Also es ist tatsächlich sehr kleinteilig, Strom handelbar und das hat auch einen besonderen Grund, warum man das im Strom macht und im Gas weniger. Und das ist eben die schwerere Speicherbarkeit von Strom. Das heißt die momentane Nachfrage nach Strom treibt den Preis deutlich stärker als jetzt, zum Beispiel im Gas stündlich gesehen der Fall ist.
17:11] Ja und da gibt es ja die sehr einfach wirkende Frage mit einer unglaublich komplexen Antwort, wie ich schon herausgefunden habe: und wie kommen diese Preise zustande?
17:24] Genau. Und da sind wir jetzt bei dieser Merit Order, der Berühmten, die Karriere gemacht hat. Also erst mal will ich mit einer Unschärfe anfangen, die mir selber auch immer passiert. Denn die Merit Order wird jetzt häufig auch als quasi die Regel bezeichnet, nachdem der Strompreis gefunden wird. Eigentlich ist die Merit Order, nur steht eigentlich, wenn man es wörtlich übersetzt, für geordnete Leistung. Das heißt, es ist eigentlich die Auflistung der verschiedenen Kraftwerkskapazitäten, in diesem Fall anhand ihrer Grenzkosten, aber ganz genau betrachtet ihre Gebote, die sie im Strommarkt abgeben. Das heißt, das ist erst mal die Merit Order Liste. Und wenn man über die Preisfindungsregel spricht, dann müsste man eigentlich eher über das, ja das Zuschlags Verfahren sprechen, das heißt die Art und Weise wie das Angebot mit der Nachfrage dann zusammengebracht wird und wie der Preis festgesetzt wird. Und da gibt es eben im aktuellen Marktdesign den Ansatz, dass das letzte noch benötigte Kraftwerk den Preis setzt. Das heißt, alle Kraftwerke, die günstiger produzieren, bekommen ebenfalls den Preis des teuersten Kraftwerks, das noch benötigt wird. Und das ist auch der Stein des Anstoßes vieler Kritik, die jetzt geäußert wird.
18:43] Genau das ist das, was Pay as Clear Prinzip heißt oder...
18:48] ...Uniform Pricing oder Einheitspreisverfahren. Also vom Konzept her, dass es im Zuschlag ist es eigenltich eh so - Angebot- und Nachfragekurve schneiden sich - das ist der Preis. Nur eben durch das Einheitspreis Verfahren bekommen alle Angebote, sozusagen alle Gebote unterhalb dieses Preises, auch diesen einen Preis, der sozusagen der clearing preis ist. Das bedeutet eben, dass alle, die drunter sind, sozusagen dann dieses Delta auch lukrieren können.
19:19] Das heißt, Merit Order heißt, dass man Englisch schaut, die Nachfrage an Strom zu einer gewissen Stunde des nächsten Tages zum Beispiel so günstig wie möglich abdecken zu können, in dem man die Gebote reiht, von günstig bis teuer. Und das teuerste Angebot, das gerade noch den Zuschlag bekommt, weil es gebraucht wird, um die Nachfolge zu decken, definiert dann den Preis, den alle bekommen.
19:47] Also, es ist eigentlich umgekehrt vorn der Logik, das Einheitspreis Verfahren wurde eingeführt, um diesen Effekt zu erzielen. Also, weil die Merit Order ist ja theoretisch, also in der realen Welt bietet ja kein Kraftwerk, sondern es bieten Unternehmen, die einen Kraftwerkspark haben und üblicherweise dann eine Vielzahl Angeboten einstellen. Aber quasi die Idee hinter diesem Einheitspreis System war eben zu sagen, es stellt eigentlich sicher, zumindest theoretisch, dass eben jene Kraftwerke, die günstig produzieren können, die eben beispielsweise keine Brennstoffkosten haben, jedenfalls zum Zug kommen.
20:24] ...also Wasserkraft, Windkraft, Photovoltaik...
20:26] Ja genau, das ist eigentlich die Idee dahinter gewesen, dass dann sozusagen aufgefüllt wird. Und auch bei den bei den thermischen Kraftwerken, dass jene zum Zug kommen, die halt möglichst effizient und möglichst günstig den Strom produzieren können. Also das war die ursprüngliche Idee, die uns jetzt aber in der jetzigen Situation auf den Kopf fällt, sag ich mal.
20:47] So und bevor wir auf das eingehen, was uns aktuell auf den Kopf fällt, würde ich gerne noch eine Komponente einbringen, die mir bis vor einigen Monaten auch nicht klar war. Aber diese Merit Order Liste bzw das das Uniform Pricing gilt ja nicht nur für Kraftwerkskapazitäten oder Stromlieferungen aus einem Land, sondern da werden unterschiedliche Stromlieferungen aus unterschiedlichen Ländern zusammengewürfelt. Richtig?
21:19] Das gilt vor allem für die 12:00 Auktion, tatsächlich. Dass es einen Gemeinsamen Markt Algorithmus der europäischen Markt Betreiber gibt. Das englische Abkürzung ist NEMO, wo ich jetzt die genaue Bedeutung nicht weiß....
21:34] Nominated Electricity Marked Operators....
21:37] Genau richtig. Und die haben einen gemeinsamen Algorithmus entwickelt, der heißt Euphemia. Und in dem werden nicht nur wie du beschrieben hast, die Marktpreise oder die optimale Kraftwerksauslastung eines Landes bestimmt, sondern es werden auch die Transportkapazitäten zwischen den Ländern mit einbezogen, das heißt es wird quasi ein optimaler Grenz Transfer mitbestimmt. Das heißt die optimalen Importe und Exporte aus verschiedenen Ländern. Und was meine ich, wenn ich optimal sage? Das könnte man nämlich sehr unterschiedlich definieren. Man könnte sagen, zum Beispiel Gesamtkosten minimieren wäre optimal. Das machen viele Merit Order Modelle, die man so in der energiewirtschaftlichen Forschung zum Beispiel sieht, so zu optimieren. Euphemia geht da anders vor. Euphemia definiert Wohlfahrten und versucht diese zu maximieren, das heißt die Nachfrageseite auch aktiv mit einzubeziehen in die Optimierung.
22:37] Was heißt Wohlfahrt? Ehemaliger Team Torhüter der österreichischen Nationalmannschaft. Aber was könnte das in diesem Kontext heißen?
22:47] Also ich bin kein großer Fan des VfB Stuttgart gewesen, deswegen kenne ich ja kenne ich den Herrn Wohlfahrt natürlich auch noch. Der ist tatsächlich nicht gemeint. Nein, es ist im Prinzip, wenn wir über die Merit Oder reden, dann vergessen wir immer so ein bisschen, dass es auch eine aktive Nachfrageseite im Markt gibt. Das heißt, nicht nur die Anbieter bieten ihre Kraftwerkskapazitäten dem Markt, sondern es gibt auch eine Nachfrage, die an diesen Markt gestellt wird. Und das sind dann zum Beispiel kleine Stadtwerke oder eben Lieferanten ohne eigene Produktion, die kaufen. Es gibt energieintensive Unternehmen, die direkt am Großhandels Markt kaufen etc. und dann kann man auch deren willingness to pay ist das Wort im Englischen - Zahlungsbereitschaft mit einbeziehen. Und die Wohlfahrt ist dann quasi so eine Art Flächen Optimierung, die sowohl die Produzenten Rente als auch die Konsumenten Rente versucht parallel möglichst groß aussehen aussehen zu lassen.
23:49] Also vereinfacht gesagt: Euphemia hat tatsächlich das volkswirtschaftliche Konzept der Wohlfahrts Optimierung drinnen. Also es wird die Summe aus Konsumenten und Produzenten Rente maximiert. Also das ist wirklich die ganz klassische volkswirtschaftliche Wohlfahrts Optimierung.
24:09] Also Produzenten-Rente heißt dann das was Erzeuger für ihren Strom bekommen und Konsumenten Rente ist das was Abnehmer dafür zahlen müssen.
24:21] Also Konsumenten Rente, streng genommen, ist die Konsumenten Rente dann der Teil zwischen Nachfrage Kurve und dem Preis, der sich einstellt. Ich erklär das immer so, es gibt quasi deine Zahlungsbereitschaft für Kaffee. Die ist irgendwo vielleicht, sagen wir du hast schlecht geschlafen und du brauchst ganz dringend den Kaffee, dann ist sie für dich vielleicht 5 €. Das ist jetzt wirklich wichtig, ich braucht diesen Kaffee - ich zahle 5 € dafür. Jetzt findest du aber jemand, der dir einen Kaffee um 4 € gibt. Dann hast du 1 € quasi Konsumenten Rente, die du natürlich in dem Sinne nicht hast, weil es den niemand gibt. Aber das ist sozusagen die Definition der Konsumenten Rente.
25:01] So, und diese Wohlfahrtsoptimierung funktioniert jetzt nicht für ein Land. Das heißt es geht nicht nur um die österreichische Volkswirtschaft, die da optimiert wird, sondern im Sinne des europäischen gemeinsame Markts - länderübergreifend?
25:16] Genau. Also es fließen zwei wesentliche Parameter ein. Das sind Gebote. Also aller Nachfrager und aller Erzeuger und das Andere sind die dann die zur verfügung stehenden Übertragungsnetzkapazitäten. Und es wird auch eben vor dem hintergrund dieser Restriktion, dass diese Übertragungskapazitäten nicht unendlich sind, wird auch der Austausch zwischen den Ländern optimiert. Und der Hintergrund, auch da, war eigentlich ursprünglich, dass man versucht hat, Ineffizienzen abzuschaffen. Weil bevor es die Markt Kopplung gab, war es teilweise so, dass quasi Strom von einem, jetzt muss ich die Richtung Nachdenken, vom quasi teuren Land ins billige floss. Und das ist nicht effizient, wenn ein Land, in dem der Strompreis 70 € ist, in ein Land exportiert, wo nur 40 ist. Also ökonomisch, sollte das billigere Land ins teurere exportieren, weil die dort anscheinend mehr bereit sind dafür zu zahlen für den Strom, weil sie mehr brauchen aus irgendeinem Grund. Und das war eigentlich die Idee der Markt Kopplung, diese Ineffizienzen abzuschaffen oder auch, dass teilweise Kapazitäten gar nicht genutzt wurden, also das war ja früher alles langfristige Vergabe. Dann hat man geglaubt, die Preisdifferenz ist so, aber es war ganz anders und dann hat man Kapazitäten gehabt, die keiner genutzt hat. Also die Idee war es, schon grundsätzlich die Kapazitäten möglichst optimal zu nutzen. Und manchmal profitiert das eine Land und in anderen Fällen das Andere.
26:48] Genau, weil wenn vom billigen ins teure Land exportiert wird, heißt es dann ja auch, dass das billige Land ein bissl teurer wird.
26:58] Ja, de Fakto ist das so.
27:01] Das heißt, wenn man sich diese Day ahead Auktion anschaut, 12:00 Uhr wird der Preis gefunden für den nächsten Tag, heißt es zum Beispiel auch das Preiszone Österreich, die ja getrennt ist von der deutschen mittlerweile, es sein kann, dass ein Teil der Nachfrage bedient wird mit bayrischen Photovoltaik Strom der importiert wird, weil der halt billig ist und da ist gerade dort. Und es kann auch sein, dass ein tschechisches Kohlekraftwerk das letzte Kraftwerk, bildlich gesprochen, ist das in Österreich gebraucht wird, um die Nachfrage zu decken und deswegen auch den Preis für die österreichische Preiszone setzt.
27:47] Das ist absolut möglich, genau. Und gleichzeitig ist es nicht ausgeschlossen, dass Österreich gleichzeitig günstige Erzeugungen, zum Beispiel in ein anderes Land weiter im Südosten zum Beispiel exportiert. Das ist im Sinne dieser Optimierung absolut im Bereich des Möglichen und das passiert wohl auch. Und das erklärt auch, warum zum Beispiel verschiedene benachbarte Länder, wenn sie ihre Transportkapazitäten nicht ganz ausnutzen, auch den gleichen Preis haben.
28:13] Ja, das heißt, wenn eigentlich noch was ginge, aber genau dann die Nachfrage braucht.
28:19] Dann ist das gleiche Kraftwerk in zwei Ländern Preissetzend.
28:23] Okay. Der Grund, wieso wir das jetzt so ausgebreitet haben ist, weil es extrem wichtig ist, um alles, was im Endeffekt danach folgt, zu verstehen. Wir sind nämlich jetzt in einer Situation, wo sich dieses System ein bissl ad absurdum geführt hat. Nicht ad absurdum, aber es hat halt ziemlich arge Auswirkungen. Hauptsächlich wegen des hohen Gaspreises. Karina oder Christian, je nachdem wer will: wie haben sich die Strom- und Gaspreise jetzt im Großhandel entwickelt?
29:02] Ja, da kann ich gerne was zu sagen. Ich habe mir jetzt gestern den Spaß gemacht, mal die Preise von gestern und die Preise von vor einem Jahr zu vergleichen. Für verschiedene Strom und Gas Produkte. Und da sieht man natürlich eine deutliche Steigerung. Ich glaube, da erzähle ich auch niemanden, der hier zuhört was Neues, das haben alle mitbekommen. Also gestern ist in dem Fall der 08.08. Da kostete Strom 376 Euro, 97 € pro Megawattstunde in Österreich, also in dieser Day ahead Auktion, über die wir gerade gesprochen haben, und in der Day ahead Auktion vom 08.08.2021, und ich sage auch noch gleich was zur Einordnung, da lag der Preis bei € 4,90 pro Megawattstunde. Nun ist es sehr unfair, einzelne Tage miteinander zu vergleichen.
29:52] Genau, das wollte ich gerade sagen, dass machen wir unsere Analysen nicht so.
29:54] Nein, das machen wir normalerweise nicht so und das liegt natürlich daran, dass auch besonders unterschiedliche Erneuerbare Erzeugungsprofile an den Tagen vorlagen und natürlich auch die Situation in anderen Ländern sich unterschied. Und das liegt nicht nur an gestiegenen Gaspreisen. Dass es jetzt quasi diesen Unterschied zwischen diesen Tagen gibt, ist etwas fairer, wenn wir da glaube ich auf die Future Märkte schauen, die sich deutlich weniger volatil entwickeln wie die Tages Preise im Day ahead Markt. Da habe ich mir mal angeschaut den ÖSP. Das heißt wir veröffentlicht ja den ÖSPI jeden Monat, den Österreichischen Strompreisindex und ein Zwischenschritt auf der Berechnung zu diesem österreichischen Strompreisindex ist der österreichische Strompreis, der sich dann zusammensetzt aus den verschiedenen Future Notierungen in den vorangegangenen Monaten für einen Monat, Lieferdatum. Und da liegt zum Beispiel der ÖSP für den September 2022, den kann man schon berechnen, bei € 222,22. Tatsächlich, eine Schnapszahl.
31:06] Eigentlich eine schöne Zahl, aber dann doch nicht.
31:08] Genau, und der ÖSP für den September 2021 lag bei € 62,39. Das heißt, da ist ein Faktor dazwischen, der nicht ganz vier ist, aber schon schon deutlich.
31:21] Obwohl 62 € auch schon damals erhöht, nicht erhöht war, aber doch schon auch das Resultat eine Steigerung war.
31:29] Genau das liegt über dem Durchschnitt der vorherigen Jahre. Würde ich spontan behaupten.
31:34] 20, 30, 40 € pro MWh.
31:38] Genau. Und das Ganze kann man natürlich fürs Gas auch machen. Day ahead Preis von Gas im Central European Gas HUB, wenn man den gewichteten Durchschnitt nimmt, gestern € 197,20 und vor einem Jahr € 42,54. Und auch das war schon ein sehr starker erhöhter Gaspreis zu diesem Moment und....
32:03] das war damals eigentlich schon das doppelte Preisniveau von Normal.
32:06] Das war € 197 gestern und vor einem Jahr?
32:09] 42,54 Euro.
32:12] Und eigentlich war Gas immer zwischen 15 und 20 €. Also ja...
32:17] Genau. Und das lässt sich halt auch an dem ÖGP nachvollziehen, also dem Äquivalent zum ÖSP. Also der lag auch August 2022 jetzt bei € 125,45 und vor einem Jahr bei € 29,65. Das heißt, die lagen jeweils noch etwas niedriger, weil man natürlich da in den längeren Zeithorizont davor noch mit berücksichtigt. Das heißt noch ein paar billigere Monate mit drin hatte. Das heißt, da ist dann ja noch mal ein bisschen günstiger. Ja, das ist im Prinzip, wie sich die Strom- und Gaspreise in der Tendenz entwickelt haben. Sie haben sich vervielfacht.
32:55] Wieso?
32:57] Oh, da gibt es keine kurze Antwort.... Ich meine, ich glaube, man muss schon bissl differenzieren wahrscheinlich zwischen Strom und Gas.
33:08] Fangen wir vielleicht mit Gas an...
33:09] Ok....alle Energieträger gehen am Ende des Tages immer in die gleiche Richtung. Also auch die Kohle Preise sind mittlerweile explodiert. Ich meine bei Gas hat das ganze ja schon irgendwo im ersten Halbjahr 2021 begonnen mit der wirtschaftlichen Erholung der Nachfrage in Asien. Das hat die Nachfrage nach Gas befeuert. Dann, war es ja so, wir sind ja eigentlich schon aus einer sehr außergewöhnlichen Situation gekommen, nämlich in den Sommer davor, im Lockdown - Pandemie Sommer hatten wir Gaspreise von 5 € pro MWh, wo keiner mehr wusste wohin mit dem Gas. Die Speicher waren Knacke-voll. Also das ist eigentlich das, was wir uns jetzt wünschen würden. Und dann ist man im Sommer 2021, ist dann eben ein bissl die bolische Stimmung auf die Nachfrage gekommen, also die preistreibende Stimmung. Und die Gaspreise ist dann sukzessive gestiegen. Es gab in der Situation dann einerseits wenig Anreiz zum Einspeichern. Es sind weniger Mengen aus Russland gekommen. Und natürlich mit dem Wissen, dass wir jetzt haben, bewerten wir da, das Verhalten, sozusagen der Marktakteure, insbesondere der Gazprom, natürlich anders. Es war auch da schon so, dass die Gasprom begonnen hat, die europäischen Kunden aus ihren Speichern zu bedienen. Und wir reden davon von quasi August, September, Oktober letzten Jahres, also weit vor dem Februar. Bzw, dass sie auch schon im Sommer begonnen haben, auf ihre eigenen Handelsplattform keine zusätzlichen Mengen zB. einzustellen. Also das heißt, diese Strategie sozusagen, irgendwie oder eben, oder vielleicht- oder möglicherweise- oder wahrscheinlich- Strategie, da irgendwie, eine Verknappung sozusagen in Europa herzustellen, das könnte man schon relativ lange zurückverfolgen. Also das ist jetzt nichts, was jetzt immanent mit der Ukraine oder mit irgendwelchen Embargos oder sonst was zu tun hat. Das ist eine Entwicklung, die schon viel, viel länger zurückgeht.
35:23] Wir haben wir haben im Juli 2021 die erste Petajoule Folge zur Energiepreisrally aufgenommen. Damals die Frage gestellt: Was ist los auf den Märkten für Strom, Gas und CO2? Also damals war es auch schon so, dass sich das bemerkbar gemacht hat.
35:44] Genau, und ich meine, natürlich sind unterschiedliche Dinge zusammengekommen. Ich meine es selbst wenn man sagt, das war eine bewusste Strategie. Damals hat es natürlich auch das Umfeld gebraucht, dass die funktionieren kann. Also diese Erholung nach der Pandemie, die Situation aus der wir rausgekommen sind, die vollen Order Bücher in der Industrie. Und so weiter. Das hat das schon auch unterstützt.
36:08] Nicht nur in Österreich, sondern weltweit.
36:10] Natürlich weltweit, losgelöst davon, hätte diese Strategie wahrscheinlich nicht funktioniert und in einer Pandemie hätte sie auch nicht funktioniert. Aber rauskommen aus dieser Situation, ja ist dann einfach alles zusammengekommen und hat dort zu diesen massiven Preissteigerungen geführt. Und natürlich dann nach dem Einmarsch in Ukraine und jetzt in der Situation mit möglichen noch weiteren Liefer-Einschränkung bzw schon Liefer-Einschränkungen deutlich auf der Nord Stream eins. Ja ist natürlich, da gehen die Faktoren natürlich nur nach oben.
36:47] Das war natürlich schon beobachtbar letzten Sommer, dass aus Russland keine zusätzlichen Mengen am Spotmarkt zur Verfügung gestellt wurden, dass die Speicher nicht wirklich befüllt wurden. Damals ist man eher davon ausgegangen, dass das mit Nordstream zwei und der anstehenden Zertifizierung bzw Freigabe zusammenhängt und Russland so den Druck auf Europa erhöhen will. Aus aktueller Perspektive wird es natürlich jetzt wieder in ein größeres Bild und in Zusammenhang mit dem Ukraine Krieg einordnenbar.
37:26] Ja klar, das ist Benefit der Findset, nicht. Und das war ja auch nicht so dass das eine kontinuierliche Entwicklung war. Und dann gibt es immer wieder Meldungen, natürlich auch von der Gazprom: ja jetzt liefern wir wieder mehr Mengen. Im November beispielsweise gab es dann wieder diese Meldungen. Haben sich die Märkte wiederholt? Also. Ja, in der Situation ist das natürlich immer anders zu beurteilen. Als ein Jahr später.
37:51] Genau. Ende September, hat es eine Anweisung von Putin gegeben, dass mit Oktober oder November die Speicher in Österreich und den Niederlanden sowie Deutschland wieder aufgefüllt werden sollen. Passiert ist es dann nicht. Gut, die Gaspreise sind gestiegen. Wir haben eine Ahnung auch wieso. Das ganze ist natürlich noch komplexer mit LNG als Substitut, das auch preistreibend ist, auch Märkte global verbindet. Das heißt der Gaspreis steigt jetzt auch in Asien. Das heißt, das hat auch international Auswirkungen. Aber wenn wir uns auf den Strompreis zurückziehen, dann hat dieser hohe Gaspreis auch Auswirkungen auf den Strompreis. Weil Gaskraftwerk oft preissetzend ist und dieses preissetzende Gaskraftwerk aktuell sehr teuer ist. So, jetzt stellt sich die Frage: Sind diese Preise echt? Also stecken da tatsächlich auch fundamentale Entwicklungen dahinter? Oder sind die zum Beispiel durch Spekulationen oder Angst irgendwelche Designfehler so hoch?
39:03] Also auch das ist jetzt natürlich eine komplexe Fragestellung. Aber es gibt auf jeden Fall fundamentale Faktoren, die im Strom gerade dafür sprechen, dass es Anlass gibt, auch von einer Energieknappheit auszugehen. Und da gibt es, also ich würde da vor allem zwei Faktoren sehen. Das eine ist bzw hängt miteinander zusammen. Das eine ist die Trockenheit, die wir erleben aufgrund des Klimawandels in Europa, die an verschiedenen Stellen dazu führt, dass Energiemengen, sei es aus der Wasserkraft, aber auch aus anderen Energiequellen, schwerer verfügbar ist. Und da ist das Offensichtliche, das große zweite Beispiel die Kernkraft in Frankreich, die gerade massive Probleme haben, ja ihre große Kernkraft Block Flotte überhaupt am Laufen zu halten, da sich die Missstände zum Beispiel der Rouen deutlich verringert haben und dementsprechend viel weniger Wasser zur Kühlung der AKWs zur Verfügung steht. Da werden jetzt gerade schon vorher geltende Umweltstandards für einen gewissen Zeitraum außer Kraft gesetzt, damit die AKWs nicht vom Netz gehen müssen, weil sonst die Energie tatsächlich schon knapp werden würde. Und diese Effekte, wenn ein Land wie Frankreich, das sonst eigentlich dafür bekannt war, günstigen Strom in ganz nach ganz Europa zu exportieren, plötzlich Energieknappheit hat - also im Sinne von da fehlen mehr als 20 Gigawatt Erzeugungs-Leistung.
40:36] Die ja nicht verfügbar sind, weil ...
40:42] ...die korrosionsprobleme gibt es genaus. Und jetzt sind es 20 GW, das ist eigentlich zweimal Spitzenlast Österreich, also es fehlen da jetzt zwei Oesterreichs im System, also das ist nichts, was man in Europa einfach kompensieren kann. Und in allen anderen Ländern gibt es genauso die Probleme mit der Trockenheit mit Lauf-Wasserkraftwerken auch in Österreich haben wir unterschiedliche Lauf-Erzeugung oder Wasser Erzeugung, also Erzeugung aus Wasserkraft, sonst sind die Physiker beleidigt. Und die Frage ist, wie es weitergeht. Jetzt ist ja schon die Meldung gekommen, dass der Rhein möglicherweise für die Schifffahrt gesperrt wird. Das heißt dann wieder Wo kommt die Kohle her? Österreich Deutschland produziert derzeit sehr, sehr viel aus PV, aber auch sehr viel aus Kohle. Das heißt, wenn die Kohle nicht mehr die Flüsse entlang fahren kann dann wird es dort auch schwierig.
41:32] Das betrifft Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 1,5 Gigawatt. Also nochmal riesig.
41:38] Genau. Also das ist alles nicht nix. Und von dem her muss man sagen, so eine Knappheit sozusagen quer durch Europa, auf unterschiedlichen Faktoren, die hats sicher die letzten 20, 30 Jahre so noch nie gegeben. Also diese Knappheit, glaube ich, die kann man nicht wegleugnen und das sieht man auch, wenn man sich die Winter Notierungen anschaut. Für Europa, du hast es wahrscheinlich besser im Kopf, aber Frankreich, wo man teilweise schon bei 1.000 € oder so pro MWh war, ob jetzt die Höhe sozusagen, da kann man immer diskutieren, aber diese, Knappheit oder die Befürchtung, dass es zu einer Knappheit kommt, die ist auf jeden Fall da.
42:27] Ja. Also sowohl bei Gas als auch bei Strom.
42:32] Ja also bei Gas haben wirs ja schon, dass die Nord Stream eins nur auf 20 % der Kapazität ist, das ist eine physikalische Verknappung, die man nicht wegleugnen kann. Natürlich, wenn man es jetzt ökonomisch betrachtet, ist es auch ein Marktversagen. Aber wenn quasi ein mehr oder weniger ologopolistischer Produzent da Mengen verknappt, wie man es auch nur aus den Medien kennt, will da sagen, es gibt keine technischen Gründe, die Nord Stream einsetzt nicht zu fahren sozusagen. Dann ist es eben auch eine Art Marktversagen im Gasmarkt, die jetzt eben auch durch diffundiert in den Strommarkt. Also das ist sozusagen die ökonomische Theorie dahinter.
43:22] Jetzt, wo du dieses Nordstream eins erwähnt hast. Was man öfters auch hört ist diese Preisentwicklung ist die Konsequenz aus den Sanktionen. Kann man das irgendwie einordnen? Ist das so?
43:38] Na ja, also ich glaube, wir haben vorher schon geredet, dass jetzt die Preisentwicklung, die sich abzeichnet, sozusagen. Es gibt ja im Gasbereich, in dem Sinne keine Sanktionen, also einschränken aus Europäischer Sicht, das hat sich eigentlich schon vorher abgezeichnet. Und auch die Atomkraftwerke in Frankreich, also es hat wirklich auch nichts mit Sanktionen zu tun. Das ist einfach, wie soll man das jetzt nennen? Oder die Trockenheit natürlich, dass so viele Faktoren zusammenkommen, die aber eben alle in die gleiche Richtung gehen. Das ist ähnlich bei den Treibstoffen. Es ist verknappt und dann ist in Schwechat ein Unfall. Wie oft kommt es vor, dass dort ein Unfall ist, dass Wochen, Monate lang nicht raffiniert werden kann oder nur eingeschränkt?
44:35] Oder dass einer der wichtigsten Erdgas-Verflüssigungs-Anlagen in den USA, Freeport, einen Unfall hat und diese Kapazitäten dort fehlen? Das ist ein Cluster-Fuck.
44:49] Ja, also ich wollte jetzt keine Schimpfwörter sagen, aber es ist leider so, ja.
44:59] Das war jetzt die Preisentwicklung in Großhandels Märkten, wie schaut es bei den Endkunden aus, Karina?
45:07] Ja, also bei bei den Endkunden, ich will mich vielleicht auch auf die Haushalte fokussieren, weil ich glaube sonst ist diese Folge wahrscheinlich nie aus, weil es einfach so ein breites Thema ist. Also auch dort sind natürlich auch schon Preiserhöhungen mittlerweile angekommen. Zum Teil jetzt auch sehr sehr deutliche. Grundsätzlich der Endkundenmark, insbesondere Haushalte, erfolgte schon mit einer mit einer Zeitverzögerung. Aber die Preisentwicklung an den Großhandelsmärkten, die wir eben gesehen haben, die sind so außergewöhnlich und so tiefgreifend, dass das natürlich jetzt auch ein Effekt auf die Endkundenpreise hatte.
45:51] Vielleicht kann man das noch ein bisschen aufdröseln. Endkunden. Da gibt es unterschiedliche Tarife. Da gibt es Kundengruppen, die das schon früher spüren als andere. Wie schnell schlägt diese Großhandelspreis-Entwicklung durch auf den Endkunden-Markt?
46:08] Ja, es ist tatsächlich so, eine allgemeine Zahl zu sagen, ist wirklich sehr schwer. Auch weil wir sehen, dass sich in puncto Vertragsgestaltung auch einiges geändert hat. Das heißt es gibt viel mehr Verträge oder mit irgendwelchenPreisgleit-Klauseln. Das heißt der Endkundenmarkt ist vielleicht ein bissl näher an den Großhandlesmarkt gerückt und was sicher der Fall ist, ist, dass wir jetzt ein so differenziertes Bild sehen wie noch nie. Also, ich rede jetzt nur über den Energiepreis, weil sonst ufert es wieder ein bissl aus. Aber jetzt im reinen Energiepreis, da haben wir derzeit von 0,07 € bis 0,30 € pro kWh Arbeitspreis ist alles dabei. Je nachdem ob man Bestandskunden ist oder Neukunde oder vielleicht bei welchem Anbieter man ist. Bei Strom. Also die Differenz sozusagen zwischen einzelnen Kundengruppen, die ist einfach riesig und das ist sicher was, was wir so in dieser Form noch nie beobachtet haben am Endkundenmarkt, seit Beginn der Liberalisierung.
47:21] Das heißt am niedrigeren Ende sind dann die, die bestehende Verträge haben, vielleicht sogar noch eine Preis Fixierung bis Jahresende oder bis Mitte des nächsten Jahres, da gibt´s doch einige.
47:32] Genau das spielt eine Rolle. Teilweise haben wir auch regionale Unterschiede. Wenn man jetzt den Preis Monitor der E-Control anschaut, dann gibt es da Divergenzen zwischen den lokalen Anbietern, wo welche Neukunden Preise verfügbar sind. Also gibt es ein gewisses West Ost Gefälle irgendwo, also auch das gibt es.
47:58] Wobei es im Osten um einiges teurer ist als im Westen.
48:02] Ja, grob. Wobei auch da das Bild differenziert ist mit den jüngsten Erhöhungen, die jetzt auch nicht alle einheitlich waren. Also wie gesagt, das ist ein in sehr divergierende Bild, das ist auch wirklich sehr, sehr dynamisch. Also wie gesagt, im Gegensatz zu früher, wo sich die Endkunden, die Haushaltspreise, also vor allem die Haushaltspreise wirklich wenig geändert haben, gibt es jetzt wirklich relativ viele Preisänderungen. Also da tu sich wirklich viel.
48:35] Wo kommen diese regionalen Unterschiede her?
48:38] Na ja, das ist keine einfache, oder es ist eine einfach Fragestellung. Aber es ist so, dass die Preis Setzung generell, ich meine wir haben über 100 Lieferanten in Österreich die Endkunden beliefern und die Preisgestaltung grundsätzlich die steht denen ja freier und hinter diesen oder diese Lieferanten eben die sind unterschiedlich aufgestellt, wie sie beschaffen jetzt, es gibt welche, die beschaffen sehr, sehr kurzfristig, es gibt welche, die beschaffen sehr, sehr langfristiger. Natürlich Lieferanten, die jetzt quasi langfristig beschafft haben, für diese sitzt sozusagen gut, oder die können nur billiger anbieten, weil die, wenn die vor Jahren eingekauft haben, haben sie vielleicht noch billiger eingekauft.
49:17] Die haben noch einen Polster.
49:18] Genau, oder zumindest für ihre Bestandskunden quasi ist das noch etwas, was man dann halt nutzen kann. Dann ist es natürlich so, dass im verbundenen Unternehmen teilweise gibt es natürlich dann erzeugen Portfolio dahinter mit entsprechend teilweise sehr unterschiedlichen Erzeugungsstruktur. Also auch das vielleicht was hineinspielt, da zumindest einzelne Unternehmen haben da schon gesagt, was das Vertriebs Geschäft betrifft, irgendwie verzichten oder da Verluste eingehen und und das sozusagen weitergeben. Also das ist relativ unterschiedlich. Der Background sozusagen, was halt eben unsere Struktur einfach ist, so der Eingangs, dass wir halt nicht Frankreich sind mit einem staatlichen bald 100 % staatlichen Unternehmen, sondern eine sehr diversifizierte Struktur und eben eigentlich noch die Idee, dieses Endkundenmarktes haben, wo eben die Preisgestaltung letztendlich jeden einzelnen Lieferanten obliegt.
50:18] Das heißt es gibt solche, die hat dann aufgrund der besagten Einheitspreisfindung im Großhandel aktuell sehr sehr hohe Erlöse haben oder Produzenten Renten haben, weil sie viele Wasserkraftwerke haben, Windenergie verkaufen können und so dann im Endeffekt auch, das ist das was du gemeint hast, im Vertriebsgeschäft potenziell geringere Erlöse abfedern können mit den mehr Erlösen in der Erzeugung Seite.
50:54] Ja, also wie gesagt, es gab jetzt einzelne Lieferanten, die das eben so auch kommuniziert haben. Und ja, aber wie gesagt ist eben sehr unterschiedlich welche Portfolios und welche Beschaffungs Portfolios da dahinterstehen und auch wie man sich halt langfristig committed hat. Man kann ja auch ein Erzeugungs Portfolio langfristig vermarkten. Also es ist ja nicht so, dass das alles kurzfristig geschieht. Das wäre eigentlich aus ökonomischer Sicht sogar irrational oder mit relativ hohen Risiken verbunden, wenn ich also sowohl auf der Erzeuger- als auch auf der Lieferanten Seite alles kurzfristig vermarkte, weil dann bin ich dem kompletten Risiko des Spotmarkts sozusagen ausgesetzt.
51:38] Okay, das heißt, auch da gibt es dann natürlich die andere Seite, OTC und Börse und viele Erzeuger vermarkten ihre Strommengen dann zum Beispiel über OTC und gehen langfristigere Geschäfte ein.
51:54] Genau. Oder am Terminmarkt. Das ist dann ja oft, gerade die deutschen Erzeuger, die relativ offen sind und es oft in den Medien sagen, dass sie schon die Hälfte oder mehr ihres Erzeugungsportfolios wirklich langfristig halt preislich eingetaktet haben.
52:18] So, das war der erste Teil unserer Petajoule Folge zum Thema Preisdeckel bzw die Energiepreiskrise die uns so beschäftigen aktuell. Wir haben gehört über die unterschiedlichen Dimensionen des Markts, die es gibt. Den Großhandel einerseits, den Endkunden Markt andererseits. Wir haben auch gehört, wie die Preisfindung im Großhandel mit Strom funktioniert. Und in der nächsten Folge schauen wir uns an, welche Optionen die Europäische Union, die Regierung, auch föderale die Landesregierungen haben, um preisstabilisierend einzugreifen, um die Energiepreis Krise zu entschärfen. Welche Modelle da diskutiert werden und wie diese einzuordnen und zu bewerten sind.